Allgäuer Zeitung, 23.04.1996
Kempten


Eine nicht ganz alltägliche Ausstellung ist zur Zeit im Hofgartensaal der Residenz zu sehen. Denn die beiden Kemptener, die dort noch bis zum 27. April täglich von 11 bis 18 Uhr Bilder und Plastiken zeigen, sind verhältnismäßig jung. Was der "Nachwuchs" in Person von Peter Reill und Nikolaus Müller 
zutage fördert, lohnt auf alle Fälle der Betrachtung.

Sie sind beide 25 Jahre alt, studieren beide an der Akademie in München und teilen sich ein Atelier. Soviel zu den Gemeinsamkeiten von Peter Reill und Nikolaus Müller. Denn was ihr künstlerisches Schaffen angeht, haben die beiden ganz unterschiedliche Wege eingeschlagen. Während Nikolaus sich an den deutschen Expressionismus anlehnt, erinnern Peters Bilder an die Pop-Art. Zumindest rein 
optisch. Denn seine klaren, reduzierten Formen erzielen eine äußerst plakative Wirkung. Von Konsumgütern allerdings keine Spur. Statt dessen Gebilde und Gerätschaften, die den Betrachter vor ein Rätsel stellen. Sind das nun die Augen von Donald Duck, zwei Spiegeleier oder die Brüste einer Frau? Wenn man weiß, daß Peters Kunst einen "erotischen Hintergrund" hat, wohl eher letzteres.

Neben Bildern zeigt Peter im Hofgartensaal auch Plastiken. Einen in rosa Plüsch gehüllten Ständer etwa oder das mit Noppen besetzte orangerote Oval. Wie die Bilder machen auch die Objekte jede Menge Andeutungen, die alles andere als eindeutig sind.

Im Gegensatz zu Peters klaren Konturen fließen bei Nikolaus Müller Formen und Farben. Seine Kunst ist gegenständlich, verfremdet aber die Realität, stellt sie teilweise nur fragmentarisch oder stark vereinfacht dar. Da hat das Pfevd etwa blaue Hufe, ein rosanes Auge und kein Hinterteil. Die Tulpen, der Panzer oder die Schnecke erscheinen wie von Kinderhand gemalt. Eingebettet in die Komposition allerdings schütteln sie den Ruch des Naiven ab und verdichten ihren Ausdruck noch. Überhaupt, Nikolaus Bilder erinnem an bekannte deutsche Expressionisten, haben aber dennoch einen ureigenen Stil.
SimoneHaf