Ist Banksy ein unfreiwilliger König Midas? Der Street-Art-Künstler plante den Kunstmarkt zu unterwandern, indem sein Bild kurz nach dessen Versteigerung zerschreddert werden sollte. Doch der im Rahmen versteckte Aktenvernichter stoppte auf halbem Weg. Seitdem wird Love is in the Bin (2018) als erstes Kunstwerk gehandelt, das sich während einer Auktion selbst erschaffen hat. Die Aktion, die laut Künstler der „konsequenten Demokratisierung der Kunst“ dienen sollte, hat dessen Werk noch bekannter und wertvoller gemacht.
Peter Reills Serie Wandaktie ISIN veranschaulicht im Rückgriff auf Banksys Werk die Ambivalenzen des Verhältnisses zwischen Kunst und Markt. Ursprünglich ein Begriff für eine Aktie, die wertlos nur als Wandschmuck nützt, wird mit Wandaktie ein Kunstwerk als Investitionsobjekt gedeutet. Die Arbeiten der Serie erscheinen wie gerahmte Rahmen, die vermeintlich den unteren Teil leuchtfarbiger Positiv- und Negativ-Fotografien in herunterhängende Streifen geschreddert haben. Tatsächlich sind nicht nur die angeschnittenen Autowaschanlagen-Bilder fotografiert, sondern es handelt sich insgesamt um ein fotografisches Tromp l'œil im Objektrahmen. Durch die medialen und materiellen Verschiebungen bezüglich Banksys Werk negiert der Künstler eine eindeutige Lesbarkeit der beiden Werke und der damit verbundenen Intentionen. Was ist das Werk? Was ist der Wert? Seine Arbeiten, die Reill teilweise als Dienstleistung seiner Firma reillplast ‚verkauft’, beantworten diese Fragen eindeutig doppeldeutig.
Dr. Cora Wascke, 2021